Zum Thema „Wohnbebauung auf der Emsinsel
von Klaus-Günter Ring

 

In der Diskussion um die Zukunft der Emsinsel wird immer wieder eine Wohnbebauung empfohlen oder gefordert. Ihr stehen scheinbar nur die vermuteten Altlasten auf dem Firmengelände entgegen, die aus einer Kontamination durch Schadstoffe aus Färberei und Schlichterei bestehen können. Wer sich jedoch intensiver mit dem Gelände befasst, stößt auf die erheblich größeren Probleme, die in der Struktur des Baugrundes selbst liegen und allen Neubauten grundsätzlich im Wege stehen.

Die Emsinsel ist im Firmenbereich vielfach durchzogen von alten Flussgerinnen, die sich im Laufe der Jahrhunderte verlagert haben, wie etwa der Gelbe Kolk unter der Wagenhalle, sowie städtische Festungsgräben, die im letzten Jahrhundert zugeschüttet wurden. Dies alles bildet bis heute einen gar nicht oder nur wenig tragfähigen Baugrund aus Schwemmsand mit erheblichen Problemen für alle betriebsbedingten Erweiterungen der Textilfabrik. Hierüber berichtet die Firmenzeitschrift „Ketting und Einschlag“ (1950-62) in allen Jahrgängen ausführlich, und dort gefundene Fakten bilden die Grundlage dieses Textes.

Die durch den Boden bedingten Nachteile erzwangen seit den Erweiterungen von 1923 die konsequente Gründung aller Betriebsgebäude – einschließlich des 52 m hohen Schornsteins - auf 12 bis 13 m tiefen Pfählen. Erst nach der Emsregulierung 1932/33 genehmigte die Wasserbaubehörde die notwendigen Erweiterungen zur Alten Ems hin. In der Folge wurden meistens Betonpfähle eingesetzt, gerammt oder gebohrt, die grundsätzlich bis zur tragfähigen Mergelschicht in 12 bis 14 m Tiefe niedergebracht werden mussten. Dieses sehr aufwändige Gründungsverfahren betraf, wie gesagt, alle zwischen 1923 und 1978 errichteten Gebäude, darunter die Wagenhalle, die große Färberhalle mit den anschließenden Sheds, die Bettenfabrik, das Fertiglager und die Näherei mit Verwaltung. Hierbei verband man die je nach Gebäude über hundert Pfahlköpfe durch aufgelegte Rahmen miteinander zu stabilen Stahlbeton-Tragwerken, auf denen Stahlbeton-Skelettbauten errichtet wurden.

Dieser hohe Gründungsaufwand war nur dadurch zu rechtfertigen und zu kalkulieren, dass die alternative komplette Betriebsverlagerung – etwa nach Sassenberg oder Freckenhorst zu den dortigen Zweigwerken - unbezahlbar gewesen wäre. Diese Zweigwerke hatten ja ihre Existenz allein dem Umstand verdankt, dass alle bis 1930 dringend notwendigen Erweiterungen auf der heutigen Emsinsel technisch und rechtlich ausgeschlossen waren.

Dieser geschichtliche Abriss war hier notwendig um eindeutig klarzumachen, wie es zu dem heutigen Zustand auf der Emsinsel gekommen ist.

Nun stehen die Hallen und Gebäude noch, und man könnte meinen, sie seien auf gleicher Stelle einfach durch eine Wohnbebauung zu ersetzen. Dabei wird vergessen, dass hier für die Industrieproduktion und nicht für Freizeit und Wohnen gebaut worden war.

Der für die vorhandenen Betriebsgebäude unabdingbar notwendige Stahlbeton-Trägerrost wird auch nach deren Abbruch im Boden verbleiben, weil er aus Kostengründen nicht entfernt werden kann. Nach seinen Umrissen und seinen inneren Abmessungen ist er allerdings für eine Wohnbebauung zu groß und zu weitmaschig und deshalb ungeeignet. Von der Statik her gesehen bindet er nämlich jeden neuen Aufbau punktgenau an den bestehenden Grundriss der Halle oder des Fabrikgebäudes. Wenn er dann die natürlich viel kleiner gegliederten Wohnbauten tragen sollte, müsste er durch weitere Pfähle und Tragwerke ergänzt und erweitert werden. Das muss dann für jeden Punkt genau nachgeprüft werden, würde allerdings im Bau noch einmal so viel kosten wie die ursprüngliche Gründung. Die Lage künftiger Wohnungen stünde durch die vorhandenen Tragwerke natürlich von vornherein fest. Ein Umnutzung des Bestehenden für private Wohnnutzung wäre demnach  – sofern überhaupt realisierbar - mit vielen Kompromissen behaftet und wenig attraktiv. Sie kann daher ausgeschlossen werden.

Die Planerwerkstatt von 2008 präsentierte  fünf Entwurfsansätze, die sich von der Bindung an die vorhandenen Tragwerke gelöst und das Gelände frei überplant hatten. Für solche Fälle käme wohl nur eine schwebend oder schwimmend genannte Gründung in Betracht. Bei dieser Bauart werden im Prinzip die vorhandenen Pfahlroste durch stellenweise überkragende, flächige Konstruktionen aus Stahlbeton erweitert, notfalls durch weitere Pfähle gestützt. Hier gäbe es konstruktive Möglichkeiten, die jeweils für jedes Vorhaben einzeln geplant und nachgeprüft werden müssten. Unter Verzicht auf ein Kellergeschoss - was für die Emsinsel wegen des hohen Grundwasserstandes übrigens zwingend ist – braucht man über einer solchen bewehrten Konstruktion nur ein leichtes Streifenfundament daneben eine Bodenauflage für die Freiflächen auf der gleichen Platte. Solche Gründungen sind nach Erfahrungen an anderen Orten allerdings statisch nur eingeschränkt durch ein, höchsten zwei Vollgeschosse – je nach Bauweise - belastbar. Dies gilt immer, wenn der gewünschte Grundriss nur zum Teil auf das alte Tragwerk trifft und zum übrigen Teil in dem oben dargestellten Sinne neben oder zwischen Tragwerken schwebt. Im Falle der Entwurfsansätze der Planerwerkstatt trifft das für die meisten dort gezeigten Objekte zu. Je nach Stärke der Bodenauffüllung (in der Regel wird man höchstens 1 m aufschütten können) verzichtet der jeweilige Bauherr überdies künftig auf alle größeren Gartengehölze, auf Bäume sowieso, und beschränkt sich auf Rasen und Blumen. Dafür dürften sich die Kosten der gesamten Gründung gegenüber einer normalen Flachgründung verdoppeln. Die von der Planerwerkstatt seinerzeit vorgeschlagenen Entwurfsansätze mit Mehrfamilienhäusern hätten damit allein von den statischen Vorbedingungen her hier keine begründete Aussicht auf Verwirklichung.

Für die vielfach angesprochenen Stadtvillen gelten die gleichen Einschränkungen in Bezug auf Standort oder Statik. Ausnahmen würden sich über den Preis regeln und wären dann aus Kostengründen unattraktiv.

Als Alternative wird immer wieder eine investive Privatisierung mit einem Großprojekt, die auf hohe Gestehungskosten keine Rücksicht nehmen muss, in den Raum gestellt. Die würde sich ihren hohen Aufwand anschließend von ihren vergleichsweise wenigen künftigen Nutzern, wer auch immer das wäre, reichlich zurückholen, brächte jedoch weder der Altstadt noch der Bürgerschaft insgesamt irgendeinen Vorteil, schlimmer noch: eine Investitionsruine droht, sobald die Rendite für den Betreiber nicht mehr stimmt, ein Rückkauf des Areals für die Kommune hingegen nicht zu leisten ist. Das allerdings wäre bei dieser exzellenten Lage für Warendorf eine Katastrophe. Es bleibt also den Entscheidungsträgern anheim gestellt, solches zuzulassen, und damit die Planungshoheit der Stadt von vornherein völlig preiszugeben, oder im Sinne ihrer Bürger zu entscheiden, um beides zu verhindern. Der Bürgerantrag vom 22.08.2014 - in seiner endgültigen Fassung vom 25.11.2014 - zielt in diese Richtung.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Firmengeschichte Brinkhaus von einem endlosen Kampf gegen die Tücken der Ems und des Untergrundes gekennzeichnet ist. Diese Unwägbarkeiten zwingen auch jetzige und künftige Entscheidungsträger zum Umdenken. Die Emsinsel ist aufgrund ihrer Bodenstruktur absolut nicht in der Lage, die immer wieder geforderten bezahlbaren und attraktiven Baugrundstücke für junge Familien zu liefern. Man sollte sich überhaupt von dem Gedanken verabschieden, den erhaltenswerten, vermutlich ältesten Teilen der Fabrik noch irgendetwas Neues hinzufügen zu wollen, was bezahlbarem Wohnen dienen könnte. Die Emsinsel ist weder dazu geeignet, die bestehenden Wohnungsprobleme zu lösen, noch, potentiellen Großinvestoren zu gesichertem Profit zu verhelfen.

Klaus Günter Ring, 10.02.15

 

(Laut Baudirektor Peter Pesch (UPV-Sitzung vom 26.02.2015) ist das technische Problem nachrangig; es ist in erster Linie ein kalkulatorisches Problem. Er strebt die Hochwasserfreiheit für die Emsinsel an und wünscht sich Planungsfreiheit).

 

 

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