
„De 
								Iemse geiht dört Mönsterland
								so sachte äs en Kind. 
								Ist wull noch wiet bis an dat Meer?
								Worüm denn so geschwind!“
								„Die Ems geht durchs Münsterland,
								 sanftmütig wie ein Kind.
								 Ist wohl noch weit bis an das Meer?
								Warum denn so geschwind!“
								„So läuft sie denn seit Jahrhunderten durch das 
								weite Land, die gute alte Ems. Auch an der Stadt 
								Warendorf fließt sie vorüber und hat immer regen 
								Anteil am Leben der Stadt genommen. Ja, sie 
								prägte unser Stadtbild.“ So schrieb Paula 
								Telker, Tochter des ersten Bademeisters Josef 
								Telker.
				
								Die Ems bot früher den Bewohnern der Stadt 
								Warendorf die einzige Möglichkeit, sich an 
								heißen Tagen durch ein kühles Bad zu erfrischen. 
								Baden oder sogar schwimmen im Fluss war jedoch 
								sehr gefährlich, denn die Untiefen der Ems 
								wechselten nach jedem Hochwasser. 
								Auch Kahnpartien waren sehr beliebt. So 
								starteten 1882 einige junge Männer zu einer 
								Bootsfahrt von Warendorf nach Telgte. Es ging um 
								eine Wette. Nach 3,5 Stunden hatten sie Telgte 
								erreicht und die Wette gewonnen. Beim Gang durch 
								die Stadt erblickten sie ein Schild mit der 
								Aufschrift:
								„Aktion Badeanstalt Telgte“ Man war begeistert 
								von der Idee. Was die Telgter können, müsste den 
								Warendorfern auch gelingen. Es wurde viel 
								diskutiert, dafür und dagegen. Ein ganz 
								Altkluger meinte: 
				
								„ Jäe, jäe! Laot dat Water ut den Buuk un den 
								Buuk ut dat Water“.
								(Ja, ja, lass das Wasser aus dem Bauch und den 
								Bauch aus dem Wasser.)
				
				
				
Der 
								wohlgemeinte Rat wurde nicht befolgt. In der 
								Stadt wohnte der Rentner Oskar Eylardi. Er war 
								ein aufgeschlossener Mann und hatte für 
								gemeinnützige Angelegenheiten ein offenes Ohr. 
								Es gelang ihm eine „Warendorfer Badeanstalt AG“ 
								zu gründen. So kam die Sache in Schwung.
				
								Die Badeanstalt sollte in die Ems gebaut werden, 
								oberhalb der Stadt an der Klosterpromenade in 
								der Nähe des Bentheimer Turms, wo heute das 
								Marienheim steht. Es wurde eine Floßbadeanstalt 
								geplant, ein auf Tonnen schwimmender 
								Bretteraufbau. Die Firma Ahmerkamp wurde mit den 
								Bauarbeiten betraut. Am 13.Juni 1886 konnte die 
								Floßbadeanstalt feierlich eröffnet werden. 
				
								Trotz aller Unkenrufe hieß es nun:
| 
										 Laot dat Water ut den Buuk  | 
										
										 Lass das Wasser aus dem Bauch  | 
									
				
				So ging der Badebetrieb los. Josef Telker wurde erster 
				Bademeister und sorgte für die nötige Ordnung und das Wohl 
				seiner Badegäste. Seine Frau half ihm dabei. Herr Telker hatte 
				während seiner Militärzeit bei den 13ern in Münster seine 
				Schwimmmeister-Prüfung abgelegt. Vielen Warendorfern hat er die 
				Schwimmkünste beigebracht.
				
				Wie sah die Badeanstalt aus? 
				
				Sie schwamm auf Tonnen, die zwischen Balken festgehalten wurden. 
				Das gesamte Floß war mit Ketten zu beiden Seiten am Ufer der Ems 
				befestigt. Das Bassin war der Mittelpunkt der Anlage und wurde 
				von den Ankleidezellen umgeben. Durch Holzgitter floss das 
				Emswasser in das Bassin. Für die Freischwimmer öffnete sich an 
				der Ostseite eine große Tür zur freien Ems. Rote Fähnchen am 
				Ufer steckten die Grenzen für die Freischwimmer ab, wenn auch 
				mancher Schwimmer in Versuchung kam, etwas weiter um die Ecke zu 
				schwimmen. 
				
				Es gab neben dem großen Schwimmbecken noch einzelne kleine 
				Badekabinen. Sie lagen am Ende des schwankenden Holzsteges. Da 
				ein Badezimmer in der Wohnung noch eine große Seltenheit war, 
				erfreuten sich die Badekabinen großer Beliebtheit. Meine Mutter 
				hat mich als kleines Mädchen oft mitgenommen in dieses 
				Reinigungs- und Erfrischungsbad. Der kleine Raum hatte bis zur 
				Hälfte einen Bretterboden mit einer Sitzbank, auf der man auch 
				die Kleider ablegte. Über eine steile Leiter stieg man in das 
				Emswasser und stand auf einem Holzboden. Frisches Wasser floss 
				ständig durch die Holzlatten. Beim ersten Mal rutschte ich auf 
				dem glatten Holz aus und lernte das Wasser von unten kennen. 
				Mutter zog mich schnell hoch. Der Schrecken war groß, konnte 
				aber meine Freude am Plantschen im Wasser nicht trüben. 
				Vergessen habe ich diesen Schreck nie. 
				
				Die Badezeiten waren streng geregelt. Herren- und Damenbaden 
				wechselten sich ab. 
				Die Badefreudigkeit der Jugend war besonders groß. Die Mädchen 
				durften von 2 bis 4 Uhr baden, von 4 bis 6 Uhr waren die Jungen 
				an der Reihe. Schon lange vor 2 Uhr standen wir Mädchen vor dem 
				verschlossenen Badeanstaltstor in der Promenade, bis der 
				Bademeister mit dem Schlüssel kam. Wenn Vater Telker oder auch 
				seine Frau in Sicht waren, teilte sich die Mädchenschar und 
				bildete eine Gasse. Frau Telker war immer dunkel gekleidet, trug 
				einen langen Rock und mit einer Schürze. In unseren Augen war 
				sie eine sehr alte Frau. Am Arm hatte sie ein Körbchen mit der 
				Kaffee-Mahlzeit. 
				Wie der Sturmwind sausten wir in die Umkleidekabinen und dann 
				ins Wasser. Wir wollten keine Minute vergeuden. Zwei Stunden 
				vergingen schnell. 
				
				
Die 
				meisten Kinder lernten Schwimmen ohne offizielle Anleitung. Es 
				gehörte einfach dazu wie das Radfahren. Unserem Vater - er war 
				Lehrer an der Münsterwallschule - war es aber eine wichtige 
				Aufgabe, den Schülern im dritten und vierten Schuljahr das 
				Schwimmen beizubringen. Die Warendorfer Kinder spielten nämlich 
				gern in der Nähe der Ems, und leider ertranken immer wieder 
				Kinder in dem tückischen Fluss. Die wechselnden Tiefen der Ems 
				waren eine große Gefahr für die Nichtschwimmer. 
				Im Sommer wurde die Sportstunde ins Freibad verlegt. Vater trug 
				dann einen ganz modernen Badeanzug aus schwarzer Wolle, ähnlich 
				wie ihn die Damen trugen, nur ein Träger wurde über die Schulter 
				gelegt, der andere fiel locker herunter. So war es schick in den 
				Zwanziger Jahren.
				Der Aufbau der Floßbadeanstalt im Frühjahr und der Abbau im 
				Herbst verursachten jedes Jahr große Kosten. Nach 40jährigem 
				Betrieb der Floßbadeanstalt suchte man eine nicht so aufwändige 
				Lösung. 
				
				Die neue Flussbadeanstalt
				Am 14. April 1926 wurde die neue Flussbadeanstalt eröffnet. 
				Bademeister Telker und seine Frau feierten gleichzeitig ihr 
				40-jähriges Dienstjubiläum. Ihnen war es zu verdanken, dass in 
				all den Jahren kein Unglücksfall in der Emsbadeanstalt
				
				
vorgekommen 
				war.
				In der neuen Badeanstalt waren die Ankleidezellen nun um eine 
				Liege- und Spielwiese herum gebaut. Das Bassin wurde in das Ufer 
				gemauert, nur die Emsseite hatte ein Holzgitter zum Einlass des 
				Wassers. Mit einem dicken Seil war das Becken für Nichtschwimmer 
				und Schwimmer geteilt, der Zementboden war entsprechend schräg 
				gebaut.  Neben dem Becken führte eine Treppe in die freie 
				Ems. Man musste einen Freischwimmschein vorweisen können, um in 
				der „ freien Ems“ schwimmen zu dürfen. Die Freischwimmer durften 
				auch die Sprungbretter benutzen und einen „ Köpper“ vom 
				Ein-Meter-, Zwei-Meter- oder Drei-Meter-Brett machen. Mitten in 
				der freien Ems lag ein langer, glatter Baumstamm verankert. Mit 
				all diesen Möglichkeiten war das Baden ein großes Vergnügen für 
				Jung und Alt.
				
								Eine Neuerung sorgt für Unruhe in der 
								Bevölkerung: Unsere Badeanstalt wurde zum 
								Familienbad. Das Baden nach Geschlechtern 
								getrennt hatte ein Ende. Jetzt konnten endlich 
								die Familien gemeinsam zum Schwimmen gehen. An 
								heißen Sommertagen gab es so 
				
viele 
								Badefreunde, dass auf der Liegewiese kaum ein 
								freier Platz zu finden war. Sorgen machte die 
								zunehmende Verschmutzung des Emswassers. In 
								früheren Jahren konnten wir den Stein, nach dem 
								wir tauchen wollten, auf dem Grund der Ems 
								liegen sehen.
								Bis 1933 sorgte das Ehepaar Telker für Ordnung 
								in der Flussbadeanstalt, wegen des großen 
								Andrangs mit Hilfe von Tom Schmillenkamp, der 
								nach dem Tod von Josef Telker neuer Bademeister 
								wurde. 
				
								In der Kriegs- und Nachkriegszeit wurde unser 
								Freibad unter wechselnder Leitung geführt. Viele 
								Warendorfer erinnern sich lebhaft an die 
								Bademeister Bernhard Kieskemper, Lörchen und 
								Otto Kamphans. Über 70 Jahre lang hat die 
								Flussbadeanstalt vor allem der Warendorfer 
								Jugend in den Sommermonaten viel Freizeitspaß 
								gebracht. Die Ems lieferte unermüdlich und 
								kostenlos frisches Wasser.
				
								1956 war dann das Baden im Flusswasser nicht 
								mehr zeitgemäß und die Flussbadeanstalt wurde 
								geschlossen. Die Stadt Warendorf errichtete 1959 
								auf der anderen Emsseite ein 
				modernes Freibad.
				
								Den Mitgliedern der „Warendorfer 
								Badeanstalt-Aktien-Gesellschaft“ ist es zu 
								verdanken, dass Warendorf schon frühzeitig einen 
								geregelten Badebetrieb hatte. Seit 1919 war 
								Hermann Josef Brinkhaus ihr rühriger, 
								langjähriger Vorsitzender. 
				
				
Erst 
								1936 übernahm die Stadt die Warendorfer 
								Badeanstalt AG.
								Die Warendorfer Bürger haben diesem tatkräftigen 
								Vorstand auch die Einrichtung einer 
								Warmwasser-Badeanstalt zu verdanken. Es gab 
								damals in den Häusern nur wenige Badezimmer, 
								darum war es wichtig, auch im Winter öffentliche 
								Bademöglichkeiten anzubieten. 
				
								1909 wurde an das Wohnhaus der Familie Telker im 
								Zuckertimpen 14 eine kleine Warmwasser - 
								Badeanstalt angebaut. Die Anlage bot vier 
								Wannenbäder und sechs Duschen an. Sie war 
								ganzjährig geöffnet, außer im Hochsommer. 
								Mein Vater nahm oft ein Wannenbad, wir Kinder 
								begnügten uns mit der Dusche, das war billiger. 
								Im Herbst 1936 wurde diese Einrichtung 
								geschlossen. Die Stadt verlegte die 
								Warmwasser-Badeanstalt in die Volksschule an der 
								Klosterstraße. Bis in die 50er-Jahre wurde diese 
								Einrichtung rege genutzt, gemeinsam mit der 
								Jugendherberge, die auch im Keller der Schule 
								untergebracht war.
								Die Autorin Eugenie Haunhorst geb. Göcke 
								wurde 1912 in Warendorf geboren und wuchs in 
								einer Lehrerfamilie mit vier Geschwistern auf. 
								Im Alter von 90 Jahren begann sie, Erinnerungen 
								aus ihrem Leben im Warendorf der 1920er Jahre 
								aufzuschreiben. Sie starb 2016 im Alter von 103 
								Jahren.
				
				
				Bilder: Archiv der Altstadtfreunde Warendorf